Ein bisschen Frieden, ganz wenig Freiheit

Mitteilung der Kampagne „Sachsens Demokratie“ zum Agieren „Sächsischer Demokraten“

„Ein bisschen Frieden, ganz wenig Freiheit“ so lässt sich unsere Analyse zur Verfasstheit der Sächsischen Demokratie zusammenfassen. Statt gesellschaftliche Konflikte zu thematisieren und Raum für politische Auseinandersetzung zu geben, wird ein Klima der Konfliktscheuheit und betütelter Harmonie verordnet. Stillstand statt Fortschritt – ein bisschen Frieden für „das Volk“, bedeutet gleichzeitig „ganz wenig Freiheit“ für diejenigen die sich nicht nach der Politik der „Landesväter“ von Schwarz/Gelb richten und Veränderungen fordern.

Unter dieser Assoziation ein paar Schlaglichter „Sächsischer Demokratie“ der letzten Wochen.

Außer Spesen nichts gewesen – Freistaat muss Schaden nach Razzia am 19. Februar begleichen

Mit großem Getöse hatte das Landeskriminalamt nach der brutalen Razzia im Haus der Begegnung erklärt, trotz falscher Hausnummer, sei juristisch alles in Ordnung gewesen. Knapp ein viertel Jahr später ist der Freistaat verpflichtet worden, den entstandenen Schaden iHv 5.600 Euro zu begleichen. Das Geld wurde schnell überwiesen, eine Stellungnahme des LKA erfolgte im Gegensatz zur großangelegten Aktion am 19. Februar und den Razzien im April/Mai nicht. Die gerichtliche Überprüfung zur Rechtmäßigkeit der Aktion dauert nach wie vor an.

Politisch motivierte Rufschädigung des Jugendvereins „Roter Baum“

Der Jugendverein „Roter Baum“ in dessen Räumen sich das Pressebüro von „Dresden Nazifrei“ befunden hatte, kämpft um seinen Ruf und sein finanzielles Fortbestehen. Die bürgerliche Mehrheit im Stadtrat hat beschlossen, Fördermittel an den Verein nur noch unter Vorbehalt auszuzahlen. Dass dieser Beschluss, dass Papier nicht wert ist, auf dem er steht, wissen auch die bürgerlich-konservativen Stadtparlamentarier. Denn der Beschluss spiegelt nur die allgemeinen schon immer geltenden Förderregelungen wieder, nach denen Mittel zurückgefordert werden können, wenn seine Zweckentfremdung vorliegt. Ziel der bürgerlichen-konservativen war eine Schmutzkampagne gegen den erfolgreichen aber links stehenden Jugendhilfeverein, der nun um seine Ferienlageranmeldungen bangen muss.

Justizministerium weiss nichts über verletzte Polizeibeamt_innen

Wurden noch im Mai über „bürgerkriegsähnliche Zustände“ philosophiert und auf hunderte verletzte Beamt_innen verwiesen, so offenbart die Antwort des Justizministers auf Anfragen Der Linken und Grünen eine andere Sachlage. In dieser wird kein einziges Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung an Polizist_innen oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte erwähnt. Auch der Verweis auf polizeiliche Ermittlungen geht fehl, da die Polizei im Bereich der Strafverfolgung nur im Auftrag der Staatsanwaltschaft, welche „Herrin des Verfahrens“ ist, fungieren. Wie die Aussage des Justizministers zu verstehen ist, können wir letztlich nicht klären, halten Euch/Sie aber weiter auf dem Laufenden.

LKA schnüffelt bei Busunternehmen, Sanitäter_innen und Polizeibeobachtung

Trotz der Zweifelhaftigkeit der Ermittlungsmethoden schnüffelt das LKA Sachsen weiter rum. So wurde jetzt bekannt, dass die Polizei unabhängige Beobachter_innen des Einsatzes am 19. Februar, Sanitäter_innen und Busunternehmer_innen zu Spitzeleien auffordert. So soll das Polizeibeobachtungsteam Videoaufnahmen herausgeben, die Demosanitäter_innen Namen von Verletzten bekannt machen und Busunternehmer_innen erhielten ein zweiseitiges Schreiben mit 14 Fragen, u.a. wer den Bus angemietet hätte, ob ihnen während der Fahrt „Besonderheiten“ aufgefallen wären, wer wann wo ausgestiegen wäre, wo Rasten eingelegt wurden usw. .

Rat erhalten Betroffene unter: repression@dresden-nazifrei.com

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Sitzblockierende

„Feige“ hatte der Dresdner Polizeipräsident Hanitsch am 19. Februar die mehr als 400 Personen genannt, die sich der Personalienfeststellung der Polizei im Zuge der Sitzblockade Reichenbachstraße durch Entfernen entzogen hatten. Es bleibt zu bezweifeln, dass Hanitsch die verbliebenen und polizeilich erfassten 70 Personen, unter ihnen zahlreiche Landtagsabgeordnete und weitere Politiker_innen für ihren Mut und Aufrichtigkeit loben wird. Fest steht aber, dass die Staatsanwaltschaft Dresden gegen diese wegen der Teilnahme an der Sitzblockade ermittelt. Dass das Ermittlungsinteresse sich dabei mal wieder von Recht und Gesetz entfernt, ist schon bei genauem Lesen der Pressemeldungen von diesem Tag offensichtlich. Die Personalien wurden erst lange nachdem die Nazis abgefahren waren festgestellt, eine Verhinderung des Naziaufmarsches war zu diesem Zeitpunkt schon rein faktisch nicht mehr gegeben. Das wird wohl der nächste Korb den sich die „Sächsischen Demokraten“ abholen. Wir bleiben dran!

Betroffene Sitzblockierer_innen melden sich bitte unter: repression@dresden-nazifrei.com

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus

Sage und schreibe ein einziges Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt wurde im Nachgang des 19. Februars eingeleitet. Im Gleichklang mit über 50 tatsächlich schon eingeleiteten Strafverfahren gegen Sitzblockierer gratulieren wir der Staatsanwaltschaft zur Ausgewogenheit ihrer Ermittlungen. Das kommt davon, wenn die Exekutive gegen die Exekutive ermittelt, Gewaltentrennung á la fdGO.

Übrigens gegen die Beamt_innen, die an der „Praxis“ den Verkehr regelten als das Hausprojekt angegriffen wurde, muss die Staatsanwaltschaft ermitteln, denn Anzeige wegen „unterlassener Hilfeleistung“ wurde gestellt.

Wer mehr über (potentielle) Straftäter_innen in Uniform erfahren will möge den Abschlußbericht der Polizeibeobachtungsgruppe lesen (PDF).

Kriminalistische „Erkenntnisse“ von Schlapphüten I

Während das LKA wüste Organisationskonstrukte von kriminellen Vereinigungen aufmacht, geht der Verfassungsschutz in seinem Jahresbericht 2010 (PDF) noch weiter. Der Inlandsgeheimdienst behauptet einfach, dass mehrere Straftaten „Aktivitäten“ des AK Antifa seien. Als „Beweis“ dafür gilt, dass sich an der Kleidung der Angreifer „Abzeichen mit der Aufschrift „Antifa“ befunden haben“. Da fehlen uns die Worte bei so viel extremistisch-kriminalistischem Spürsinn. Wir erlauben uns die Bemerkung, dass solche Aufnäher für Jede_n unproblematisch im Internet zu bestellen sind.

Kriminalistische „Erkenntnisse“ von Schlapphüten II

Nicht weniger abenteuerlich sind weitere Erkenntnisse aus der Abteilung „undercover Demokraten“. So wird in einer Information des Verfassungsschutzes die Leipziger Kampagne „Fence off“, die sich gegen das überregionale Nazizentrum auf der Odermannstraße engagiert, mit dem Vorwurf des Extremismus diffamiert. Auch hier eine glorreiche „Beweisführung“; es scheinen immer dieselben Leute beim VS zu sein, die scheinbar ein „X“ nicht von einem „U“ unterscheiden können. Es geht erneut – wie auch schon beim AKA Dresden – ums sog. Antifa-Logo. So behauptet der VS: “Die Kampagne verwendet das Symbol der linksextremistischen „Antifaschistischen Aktion / Bundesweite Organisation“ auf ihrer Homepage und ihren Veröffentlichungen.” Das ist ausgewiesener Blödsinn, denn das allseits bekannte und vielfältig erwerbbare „Antifa-Logo“, welches die Kampagne tatsächlich verwendet, unterscheidet sich schon rein optisch vom Logo der AA/BO. Auch inhaltlich ist der Vorwurf an den Haaren herbeigezogen. Die AA/BO wurde 1992 gegründet. Das Antifa-Logo (rechts) gabs schon vorher – es ist abgeleitet von einem Symbol aus den 1920er Jahren. Und wie „Fence off“ ausführt: „Es ist außerdem unwahrscheinlich, dass die Kampagne “Fence Off”, die es seit drei Monaten gibt und gegen ein Nazi-Zentrum agiert, das seit zweieinhalb Jahren steht, mit der vor mehr als zehn Jahren aufgelösten AA/BO in Verbindung stehen kann. Wir zweifeln ferner, ob von einer Organisation, die seit einem Jahrzehnt weg vom Fenster ist, eine Gefährdung für den deutschen Staat ausgeht (…). Ganz sicher kann so eine Gefährdung jedenfalls nicht ausgehen von einem speziellen Emblem oder ästhetisch verwandten Entwürfen.“

Sächsische Zustände in Limbach-Oberfrohna

„Sächsische Zustände“ so der Titel einer Reportage von Michael Kraske auf „Mut gegen Rechte Gewalt“, der das Problem treffend analysiert. Ein Artikel, der das seltsame Demokratieverständnis in Sachsen insbesondere des Innenministers Ulbig beschreibt. Bildlich wird dargestellt, wie Opfer zu Tätern gemacht werden und die Sächsische Demokratie den Nährboden für Nazis fruchtbar hält.

Nachtrag zum Symposium des Innenministers

Wir danken allen, die an unserer Aktion zum Symposium des Innenministers teilgenommen haben. Unsere Breite der Gesellschaft war definitiv die demokratischere, schlossen wir doch eindeutig die Nazis aus. Im Gegensatz zum Symposium – dort hielt der NPD-Landtagsabgeordnete Andreas Storr sogar einen Wortbeitrag. Den Demokratievergleich zu gewinnen, fiel uns zugegebenermaßen auch nicht schwer, denn bei uns gehören alle Geschlechter, Altersgruppen und gesellschaftlichen Schichten einfach dazu.

Weil wir sie so treffend fanden, wollen wir auf diesem Weg gern noch auf die Mitteilung der Kolleg_innen von ver.di verweisen

 

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