Ermittlungsverfahren wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ gegen unzählige Dresdner Nazigegner_innen eingestellt

Seit etwa vier Jahren lief das Verfahren wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ (§ 129 StGB) in Dresden gegen insgesamt bis zu 50 Menschen, die Teil einer sogenannten “Antifa-Sportgruppe” gewesen sein sollen. Ein prominenter Beschuldigter war der Jenaer Stadttjugenpfarrer Lothar König. Vier Jahre lang nutzten die Ermittlungsbehörden die komplette Palette an Repressionsmaßnahmen, die das Gesetz gemäß diesem Paragraphen zur Verfügung stellt: offene und verdeckte Observationen, Telefon- und Internetüberwachung, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen von Computern und persönlichen Sachen, Befragungen von Bekannten, Freund_innen und Familie und Funkzellenabfragen im Dresdner Stadtgebiet unter anderem während der Proteste gegen den Naziaufmarsch am 13. und 19. Februar 2011. Gegen die letzten rund 20 Beschuldigten wurden die Ermittlungen innerhalb der letzten Woche eingestellt. Das Verfahren ist damit abgeschlossen, ohne dass auch nur eine einzige Anklage vor Gericht erfolgte.

Josephine Fischer, Pressesprecherin der Kampagne Sachsens Demokratie erklärt hierzu: „Bereits seit 2010 hatten die Ermittlungsbehörden observiert, Telefone abgehört und Diagramme über vermeintliche Hierarchien der „Anitfa-Sportgruppe“ erstellt. Spätestens mit Bekanntwerden des Ermittlungsverfahrens gegen Lothar König als Teil dieser Gruppe wurde auch einer größeren Öffentlichkeit klar, dass diese Konstruktion nur in den Köpfen der Repressionsorgane funktioniert und es sich hier um einen Versuch handelte, linke und Anti-Nazistrukturen in Dresden zu durchleuchten und kriminalisieren. Die Begründungen der jetzt vorliegenden Einstellungen zeigen dies um so deutlicher.“
Laut Spiegel wurde nun gegen 18 Beschuldigte das Verfahren nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt, gegen zwei Beschuldigte erfolgte eine Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO, unter anderem gegen Lothar König. Gegen die anderen Beschuldigte erfolgte eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO. Die Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StP0 seien erfolgt, da kein Tatnachweis geführt werden konnte. Eine Einstellung nach § 153 Absatz 1 erfolgt, wenn eine nur so geringfügige Schuld angenommen wird, dass kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht.
Josephine Fischer erklärt: „Wie es sein kann, dass ein Verfahren gegen „Rädelsführer“ und angeblich „gefährliche, gewalttätig organisierte“ Antifaschist_innen nun wegen geringer Schuld eingestellt werden konnte, mag nur die Staatsanwaltschaft selbst verstehen. Hand in Hand arbeiteten Richter, Staatsanwaltschaft und Polizei über vier Jahre lang, um den Repressionsdruck möglichst hoch zu halten, mit dem Resultat, dass das komplette Verfahren eingestellt wird ohne dass daraus Anklagen resultierten. Das Verfahren bestätigt einmal mehr, dass der §129 StGB ein reiner Ermittlungsparagraph ist, der in diesem Fall das Ziel hatte, die linke Szene auszuspähen, so viele persönliche Informationen wie möglich zu sammeln und die politische Arbeit zu behindern. Dies zeigt einmal mehr die Notwendigkeit der Abschaffung des §129 StGB.“
Warum das Verfahren gerade jetzt eingestellt wurde ist unklar. Mittlerweile laufen in Sachsen jedoch bereits zwei neue § 129-Verfahren gegen linke Strukturen: eines wurde bereits vor längerer Zeit von dem gegen die sogenannte „Antifa-Sportgruppe“ abgetrennt und gegen fünf Personen separat geführt, ein weiteres wurde erst vor wenigen Monaten durch eine Landtagsanfrage bekannt: Auch in Leipzig wird gegen 12 Personen wegen „Bildung einer kriminellen kriminellen Vereinigung“ ermittelt.

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung:
Josephine Fischer
Pressesprecherin der Kampagne Sachsens Demokratie

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