Redebeiträge von der Demo, 26.01.18

Ein riesengroßes Dankeschön an alle die heute da waren. Wir haben einen vielfältigen und breiten Protest auf die Strasse getragen und uns klar gegen das geplante Polizeigesetz positioniert.

Wir haben einige der Redebeiträge, die wir digital haben hier noch einmal für euch dokumentiert:


Kunststudentinnen Hochschule fuer Bildende Künste Dresden

Die Kunstfreiheit zählt zu den am stärksten geschützten Grundrechten in Deutschland, und auch die Vergabe von Kultursubventionen ist an ein komplexes System geknüpft, so soll ein direkter Einfluss von Regierungen auf die Kulturlandschaft verhindert werden.
Die AfD macht deutlich, ass sie die ‚Entsiffung der Kulturbetriebs in Angriff nehmen‘ und ‚linksliberalen Vielfaltsideologien‘ die öffentliche Förderung streichen will. Auch will sie ‚aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus‘ aufbrechen. Unterstützt werden sollen Kunst und Kultur nur noch dann, wenn sie sich ‚Volk und Nation‘ verschreiben.
Ich fühle mich angesichts dieser Forderung an die Kulturpolitik an eine Diktatur erinnert.
Das Beispiel von Polen, Ungarn, Österreich und auch Türkei führen vor Augen, wie rechte Regierungen in anderen europäischen Ländern genau das umsetzten, was der AfD in Deutschland vorschwebt: der Umbau der Kulturszene für nationalkonservative Ziele.
Aktivistische Kunst in jedem Medium, ob Malerei, Skulptur oder Performance, kann nach dem neuen Polizeigesetz in Sachsen als Gefahr ausgelegt werden und die Künstlerin muss Kontaktverbote, Aufenthaltsverbote und Präventivhaft von mehreren Monaten und letztlich die Vernichtung der existenziellen Grundlage befürchten. In wie fern können sie diesen massiven Einschnitt in ein Grundrecht verantworten?
Aus diesen Gründen, wird im Oktogon der Hochschule für Bildende Künste am 25.02. ein Workshop mit dem PENG! -KOLLEKTIV und der freien “POLIZEIKLASSE” München stattfinden mit dem Ziel mit den Studierenden der sächsischen Hochschulen gemeinsam interdisziplinäre, künstlerische aktivistische Arbeiten vor dem Hintergrund der Verabschiedung eines verschärften Polizeigesetzes.
Fuer die Kunstfreiheit!


Redebeitrag vom NoPolG aus Bayern

Liebe Freundinnen und Freunde in Sachsen.

Im März soll bei euch über das neue Polizeigesetz abgestimmt werden. Bei uns in Bayern ist man schon ein Stück weiter: Seit dem 25. Mai letzten Jahres haben wir hier ein neues Polizeiaufgabengesetz. Damit hat die Polizei eine ganze Reihe von Befugnissen erhalten. Auch solche, die sonst eher zu einem Nachrichtendienst passen würden. Die bayerische Polizei hat damit die umfassendste Kontrollkompetenz am Start, seit sie wieder im Namen der bürgerlichen Demokratie zu Werke geht. Gleichzeitig wurde aber auch die Eingriffsschwelle für bisherige Befugnisse stark herabgesetzt. Eine konkrete Gefahr muss gar nicht mehr nachgewiesen werden. In den allermeisten Fällen reicht eine ominöse “drohende Gefahr” aus.

Wie es aussehen kann, wenn vorbeugende polizeiliche Maßnahmen mit so einer drohenden Gefahr begründet werden, haben wir auch schon am eigenen Leib erfahren dürfen.
Im September wollten wir gemeinsam zu den Protesten gegen den EU-Gipfel in Salzburg fahren. Dort hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union versammelt, um über die Themen „Innere Sicherheit“ und „Bekämpfung der illegalen Migration“ zu debattieren. Eine passende Gelegenheit also, um gegen die Politik der Abschottung nach außen und der sozialen Kontrolle nach innen auf die Straße zu gehen. Doch soweit sollte es erstmal nicht kommen. In Freilassing – also noch vor der österreichischen Grenze – wurden wir mit Dutzenden Leuten aus dem Zug gezogen, 18 wurden präventiv festgehalten. Dazu gab es ein Ausreiseverbot aus Deutschland, Meldeauflagen und die Einbehaltung der Ausweisdokumente. Als Begründung für die Maßnahmen nach dem Bundespolizeigesetz wurden nicht etwa Straf- oder andere Missetaten herangezogen, sondern allen Ernstes die drohende Gefahr für das Ansehen Deutschlands im Ausland. Aha.

Wir dürfen uns in Bayern aber nicht nur über ein neues Polizeiaufgabengesetz freuen. Schon seit 2017 haben wir ein “Gefährdergesetz”, das potentiell unendlichen präventiven Gewahrsam erlaubt. Dass es sich bei den Leuten, die auf Grundlage dieses Gefährdergesetzes bisher eingesperrt wurden, samt und sonders um Geflüchtete handelt, ist nicht verwunderlich. Ein öffentlicher Aufschrei ist da – angesichts des aktuellen gesellschaftlichen Klimas – zur Zeit schließlich kaum zu Erwarten. Dass jetzt eine ganze Reihe von repressiven Verschärfungen in die Pipeline geschickt werden, hängt mit genau diesem aktuellen Klima zusammen. All das Gequatsche von Souveränitätsverlust und unkontrollierten Grenzen, das Geschrei nach einem handlungsfähigen Staat der hart durchgreift, scheint zu fruchten.

Die Zeichen stehen auf Anpassung, Unterordnung und Kontrolle. Während Sicherheitsapparate hochgerüstet werden, wird die soziale Sicherheit abgebaut. Die repressive Antwort auf die Folgen des Sozialabbaus ist die Disziplinierung der Überflüssigen, die Überwachung der Unzufriedenen. Das heißt Polizei- und Gefährdergesetze, das heißt Abschottung, Abschiebung, Ankerzentrum.

Wenn in Bayern irgendein sicherheitspolitischer Testballon auf die Reise geschickt wird, dann wird das im Rest des Landes in der Regel eher beschmunzelt. Den Impuls, sich über die Seehofers und Söders, die südlich des Weißwurstäquators herumwursteln, lustig zu machen, finden wir in höchstem Maße nachvollziehbar. Wir sind dennoch der Ansicht, dass mit der folkloristischen Verklärung und Verharmlosung der bayerischen Zustände und ihrer Fans langsam (mal) Schluss sein sollte. Denn das was hier ausprobiert wird, soll später auch anderswo Schule machen. Euch in Sachsen könnte das ein bisschen bekannt vorkommen.

In diesem Sinne wünschen wir euch viel Kraft: Weg mit dem Polizeigesetz, die autoritäre Formierung durchbrechen!


Einzelpersonen aus Dresden – Solidarität mit der Gelbwesten-Bewegung – gegen Polizeigewalt und für soziale Sicherheit für alle

Stellen sie sich vor es gibt eine soziale Bewegung, die seit 14 Wochen ihre Unzufriedenheit, ihre Existenzängste und ihre Wut auf ide Straße trägt.
Stellen sie sich vor die Straßen sind gefüllt von Arbeiter*innen, Menschen ohne Lohnarbeit, Rentner*innen, ein paar Kleinunternehmern.
Sie besetzten Plätze, halten Versammlungen ab, blockieren Autobahnauffahrten und Supermärkte, sie überwinden ihre Ohnmacht in der Vereinzelung des kapitalistischen Staates.
Stellen sie sich vor der Staat sieht sein Gewaltmonopol in Frage gestellt. Und geht gegen diese Menschen mit Granaten, Tränengas und Gummigeschossen, berittener Polizei, Wasserwerfern und Schlagstöcken vor.
Stellen sie sich vor, dass mindestens 1700 Menshcen verletzt wurden.

In Frankreich erleben wir seit Oktober 2018 eine soziale Bewegung, die Gelbwesten Proteste. Es sind jeden Samstag hunderttausende Menschen. Ihre Gründe auf die Straße zu gehen sind so verschieden, wie ihre alltäglichen Probleme und Nöte. Aber was sie eint sind ihre Armut, ihre Existenzängste und ihre Unzufriedenheit. Es sind Menschen, die das demonstrieren nicht gewohnt sind, aber mit einer Gelassenheit Barrikaden errichten. Gelassenheit, weil sie eine vollkommene Legitimität verspüren ihre Wut gegen die Ungerechtigkeit zu zeigen.

Für viele Menschen gab es in den letzten 14 Wochen die Möglichkeit zusammenzukommen, über ihre Probleme und praktische Dinge zu sprechen, aus der Vereinzelung und Apathie auszubrechen. Es gab Versammlungen auf Kreisverkehren und vor Supermärkten, in Universitäten und auf öffentlichen Plätzen. Bemerkenswert ist, dass der Protest bisher von keiner Partei oder Organisation vereinnahmt werden konnte. Parteien in Frankreich und hier können sich mit dem Protest schwer identifizieren. Es gibt keine klaren Machtstrukturen, die Proteste sind nicht gut kontrollierbar.

Dem gegenüber steht die Ignoranz der Menschen, die von diesen Existenzängsten nicht berührt werden.
Dem gegenüber steht auch ein Staat, der soziale Probleme mit einem repressiven Polizeiapparat lösen will und der Einschränkung der Versammlungsfreiheit.

Über die verletzten Beamten, brennenden Mülltonnen und Barrikaden wird länglich berichtet. Über das Ausmaß der Verletzten der Demonstrant*innen erfährt mensch wenig. Überprüft ist jedoch, dass mindestens 1700 Demonstrant*innen verletzt wurden, unteranderem von Granaten und Schußwaffen. 94 von ihnen wurden schwer verletzt: mehrere Menschen verloren ein Auge, es gab abgerissene Gliedmaßen, mehrfache Brüche, klaffende Kopfwunden, riesige Hämatome, von den psychischen Schäden nicht zu reden. Mindestens eine Person wurde durch direkte Polizeigewalt getötet.

Schauen wir auf die Verschärfung der Polizeigesetzte in Deutschland sehen wir einen Zusammenhang. Im sächsischen Polizeigesetz finden wir die Aufrüstung mit Maschinengewehren und Handgranaten, das sind Kriegswaffen. Die Distanz zwischen Polizei und Bevölkerung nimmt zu, widerständige Menschen werden zu Feinden. Deshalb stellen wir uns ganz klar gegen staatliche Repression als Lösungsvorschlag für soziale Unzufriedenheit.

Wir haben entschieden uns heute hier mit den Gelbwesten zu solidarisieren.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Wir erkennen, dass sich soziale Probleme nicht mit einer repressiven Ordnungspolitik lösen lassen. Wir sehen in den Gelbwestenprotesten eine vielfältige soziale Bewegung, welche unter anderem Armut, die Gentrifizierung in den Städten, die Vereinzelung und Lähmung im kapitalistischen Staat und die Militarisierung der Polizei thematisiert. Bei den Protesten zeigen sich viele Widersprüche, natürlich gibt es Widersprüche. Wie soll eine Protestbewegung von hunderttausenden Menschen homogen sein. Diese Widersprüche machen die Bewegung nicht weniger legitim, im Gegenteil sie zeigen wie breit und vielfältig die Nöte und Perspektiven in unserer Gesellschaft sind.

Allen Skeptiker*innen, die darauf verweisen, dass in Deutschland nur Nazis die gelben Westen tragen, möchten wir sagen, dass wir uns unsere Politik nicht von ein paar Pegidaanhänger*innen bestimmen lassen. Gerade wenn sie anfangen sich das Symbol anzueignen, dürfen wir uns das nicht wegnehmen lassen.

Es wäre fatal, sich nicht zu solidarisieren!
Es ist uns ein tiefes Bedürfnis uns gegen die brutale Polizeigewalt zu solidarisieren und uns gegen die Militarisierung der Polizei auszusprechen.

Für soziale Sicherheit für alle Menschen, egal wo sie herkommen!


Michèle Winkler – Komitee für Grundrechte und Demokratie

Liebe Dresdner*innen, liebe Kämpfer*innen für Grund- und Freiheitsrechte,

Oft lohnt der Blick in die Geschichte, um den Weg in die Zukunft klarer zu machen. Vor 30 Jahren sind hier und an vielen weiteren Orten unfassbar viele Menschen auf die Straßen gegangen, weil sie das Eingesperrtsein, die fehlenden Freiheitsrechte, die politische Unterdrückung, die Überwachung und Bespitzelung satt hatten. In den Jahren ihres Bestehens hatte die DDR-Führung mit der Stasi ein breites Überwachungs- und Spitzelsystem aufgebaut, die politische Opposition unterdrückt und eingesperrt. Öffentliche, politische Meinungsäußerungen waren verunmöglicht; aber auch im privaten Umfeld war nicht klar, mit wem man offen über Unzufriedenheiten und Missstände sprechen konnte. Das Leid und die Schäden, die die Stasi angerichtet hat, sind für manche Menschen heute noch spürbar.
Heute – knapp 30 Jahre später – in der sogenannten freiheitlich-demokratischen Demokratie ist es erneut nötig, gegen Massenüberwachung und Spitzeltum auf die Straßen zu gehen. Die sächsische Landesregierung hat Pläne für neue Polizeibefugnisse vorgelegt, die einen Großteil der Bevölkerung sowie die Nachbar*innen in Tschechien und Polen unter Generalverdacht stellen. Unter fadenscheinigen Begründungen und ohne faktische Notwendigkeit, sollen Bürger*innen überwacht, gefilmt, gespeichert, in ihrem Bewegungsradius und in ihrer Kommunikation eingeschränkt werden. Die Polizei soll künftig auf vagen Verdacht hin Menschen kontrollieren, durchsuchen und abhören können, obwohl sie weder einer konkreten Straftat, noch der Vorbereitung verdächtig sind. Einzelne Beamt*innen entscheiden künftig aufgrund von Prognosen, wen sie als „gefährlich“ markieren und im Anschluss mit weiteren Maßnahmen überziehen. Auch V-Personen und Spitzel sollen eingesetzt werden, um Menschen zu überwachen und zu kontrollieren. Nur hat der technische Fortschritt so viele neue Möglichkeiten geschaffen, dass Überwachung heutzutage ganz andere Formen annehmen kann. Nicht nur technische Geräte können gehackt und die Kommunikation und Dateien ausgelesen werden. Auch eine hochauflösende Video- und Tonüberwachung und der automatisierte Datenabgleich mit Datenbanken ist möglich geworden. All das soll die Polizei künftig ausufernd nutzen dürfen. Das stattet sie mit einer Machtfülle aus, die der Idee einer freiheitlichen Demokratie diametral gegenüber steht. Wenn Menschen nicht mehr wissen, wer welche Daten über sie speichert und auswertet und was sie ins Fadenkreuz der Polizei und Geheimdienste bringen kann, dann beginnen sie, sich zurück zu ziehen. Sie verhalten sich konform und angepasst, behalten unter Umständen ihre Meinung für sich und überlegen sich zweimal, ob sie zu einer Versammlung gehen oder eine bestimmte politische Kampagne unterstützen. Eine lebendige Demokratie lebt aber davon, dass Menschen sich e
inbringen; dass sie ihre Ideen äußern und in die Öffentlichkeit tragen. Die neuen Polizeigesetze, nicht nur in Sachsen, sind eine Gefahr für zivilgesellschaftliche Prozesse, für gelebte Demokratie und sozialen Fortschritt. Sie bestärken einen Trend hin zum Autoritären, zu Kontrolle und Überwachung. Der Blick zurück zeigt uns, dass das kein wünschenswerter Zustand ist. Der Blick nach vorne kann daher nur das Ziel formulieren, dieses Polizeigesetz und seine autoritäre Ideenwelt zu stoppen!

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie drückt seine Solidarität und Unterstützung mit der Kampagne „Polizeigesetz stoppen“ aus und wünscht euch eine kraftvolle, unübersehbare Demonstration.


Asta der Evangelischen Fachhochschule in Dresden

Wir stehen heute hier als Studierende der Sozialen Arbeit, die auch häufig im praktischen Bereich tätig sind. Wir stehen hier, weil die Verschärfungen des Polizeigesetzes uns nicht nur privat angehen, sondern auch maßgeblich in unseren Arbeitskontext eingreift. Dazu später mehr.

Voranstellen möchten wir, das die Änderungen des
Polizeigesetzes nicht nur auf Sachsen beschränkt sind. Wie ihr wahrscheinlich wisst, hat auch der Freistaat Bayern ein neues Polizeigesetz eingeführt, wie auch NRW. Zu sehen sind diese Verschärfungen im Kontext

einer globalen Entwicklung des Nationalismus. Überall breiten sich autoritäre Regime aus. Ob Brasilien, Italien oder Österreich – rechte Parteien und Bewegungen gewinnen an immer mehr politischem Einfluss. Auch in Deutschland hetzt die Politik der AfD hinterher. Konservative und sozialdemokratische Politiker*innen setzten mit Freude die geforderten Maßnahmen des rechten Mobs um. Gerade Innenminister Seehofer hat in den Koalitionsverhandlungen klar gemacht, das er mit einem repressiven sicherheitspolitischen Kurs das konservative Profil der CSU wieder schärfen will. Die Bundesländer setzten diese Maßnahmen jetzt hörig in Landesrecht um. Auch in Anbetracht der bevorstehenden Landtagswahl in Sachsen ist es also nicht verwunderlich, dass auch die Sächsische Regierung von CDU und SPD das Programm des Bundesinnenministers umsetzt. In der Hoffnung der Befriedigung des rassistischen Mobs werden polizeiliche Befugnisse verschärft, die verheerende Auswirkungen auf Hundert tausende Menschen, deren Privatsphäre und berufliche Kontexte in den nächsten Jahren haben wird. Ob das Kalkül der CDU aufgeht, oder im März ein schon vorzeitiges Geschenk gegenüber über der AfD verabschiedet wird, zeigt sich im Oktober bei den Landtagswahlen. Wie beschränkt der Erfolg des „Flirts am rechten Rand“ ist, haben die letzten Wahlen in Bayern deutlich gemacht. Wie auch immer die kommenden Wahlen ausgehen werden, klar bleibt:
Ob in den Händen der AfD oder der CDU – die Novellierung des Sächsischen Polizeigesetzes ist eine Wirksame Waffe für Aufweichung von demokratischen Verhältnissen, der Kriminalisierung und Überwachung von Menschen!

Warum stehen wir hier heute als Studierende der Sozialen Arbeit? Die Gesetzesänderung wird unsere Arbeit immens beeinträchtigen. Einige dieser Einschnitte möchten wir hier kurz näher erläutern.

Mit der Einschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts von Vertrauens- und Geheimnisträger*innen werden nicht nur Journalist*innen, Ärtz*innen und weitere massiv in der Ausübung ihres Berufs behindert. Auch in unserer sozialarbeiterischen Praxis ist die Gesetzesänderung ein verheerender Eingriff. Zwar gibt es für Sozialarbeiter*innen bisher kein generelles Zeugnisverweigerungsrecht, aber mit der Gesetzesänderung wird dies de facto verunmöglicht. Nun können wir nicht mal mehr dafür kämpfen, ein solches auch unser Profession einzuführen, sondern müssen abwehren, das es nicht noch schlimmer wird. Dabei beruht ein Großteil unserer Arbeit auf dem Aufbau eines Vertrauensverhältnis zu den Adressat*innen. Das heißt auch in der Praxis, das uns Sachverhalte anvertraut werden, die einen strafrechtlichen Bereich betreffen könnten. Mit den erweiterten Befugnissen der Ermittlungsbehörden, ist das Vertrauensverhältnis zu unseren Adressat*innen fast nicht mehr aufzubauen. Gerade in den Bereichen der Sucht- oder Schwangerschaftskonfliktberatung wird das Gesetzt die Unabhängigkeit der Berater*innen in Frage stellen und damit eine Neutrale Arbeit einschränken. Gerade diese Stellen werden schon heute durch die AfD immer wieder angegriffen und denunziert. Mit der Debatte um das Werbeverbot zum Schwangerschaftsabbruch – welcher skandalöserweise immer noch ein Straftatbestand darstellt – nimmt die Politik auch hier die Positionen der Rechten auf. Ob die dringend notwendigen Beratungsstellen weiterhin finanzielle Unterstützung bekommen werden werden, sollte die AfD an die Macht kommen, ist mehr als fraglich. Die Polizeigesetznovellierung stellt somit die Grundlage dar, solchen Institutionen das Leben schwer zu machen. Aber auch im Bereich der Arbeit mit Fußballfans oder anderen häufig von Repression betroffenen und marginalisierten Gruppen stellt der Gesetzentwurf eine massive Behinderung unserer Arbeit dar.

Deswegen muss es heißen:
Zeugnisverweigerungsrecht auch für Sozialarbeiter*innen, anstatt Aufweichung der bestehenden Rechtspraxis!

Ein weiterer Angriff auf unser Vertrauensverhältnis gegenüber den Adressat*innen stellt der vorgesehene Ausbau der Überwachungsmaßnahmen dar. Hier zu nennen ist vor allem die Telekommunikationsüberwachung. Mit einer potentiellen Überwachung von Beratungsräume verlieren diese ihre Schutz- und Sicherheitsfunktion. Unsere Adressat*innen sind aber auf diese Räumlichkeiten angewiesen, da häufig der öffentliche Raum für sie keine Sicherheit bietet. Aber machen wir uns keine Illusionen: Es ist bereits jetzt gängige Praxis Sozialarbeitende zu überwachen. Erinnert sei hier beispielsweise an die Ermittlungsverfahren wegen der angeblichen Bildung einer kriminellen Vereinigung (nach §129 StGB) gegen Fans von Chemie Leipzig. Neben dutzenden Einzelpersonen schreckten die Ermittlungsbehörden nicht davor zurück Journalist*innen, Anwält*innen und Sozialarbeiter*innen mit zu überwachen. Dieses Vorgehen ist schon heute skandalös und wird mit der Gesetzesänderung nur nachträglich legalisiert und gefördert.

Deswegen:
Weniger Überwachung – Statt dem Ausspitzeln von Vertrauensträger*innen

Aber nicht nur Einzelpersonen sollen vermehrt überwacht werden. Auch der öffentliche Raum ist dem Narrativ des „Überwachung schafft Sicherheit“ unterworfen. Schon heute greifen hunderte Kameras im ganzen Stadtgebiet in die tägliche Privatsphäre der Menschen ein. Meistens ist die erste Handlung der Stadt eine Kamera zu installieren, wenn bestimmte Orte zu Brennpunkten erklärt werden. Mit den sogenannten „gefährlichen Orten“ soll eine weitere Maßnahme ausgebaut werden, die repressives Vorgehen im öffentlichen Raum ermöglicht und das Repertoire der bloßen Überwachung erweitert. Gefährliche Orte sollen nicht nur per Kameraüberwachung befriedet werden, sondern auch mit ständiger Polizeipräsenz, „verdachtsunabhängigen“ Personenkontrollen und Aufenthaltsverboten. Nicht nur das dies dazu führt, dass unsere Adressat*Innen ständiger Überwachung ausgesetzt sind und unter Generalverdacht gestellt werden, auch das Verhältnis gegenüber den staatlichen Organen wird dadurch erheblich geschädigt. Die Polizei wird nicht mehr als unterstützende Institution angesehen, sondern als reine Repressionsbehörde wahrgenommen. Darüber hinaus erschwert es unsere Arbeit enorm, wenn unsere Adressat*Innen keine beständigen Plätze haben, an denen wir sie aufsuchen können. Gerade im Bereich der Arbeit mit Obdachlosen , Drogennutzer*Innen oder im Street Work wird dies zu grundlegenden Problemen führen. Ganz davon abgesehen, dass die Verdrängung von Bestimmten Gruppen aus dem öffentlichen Raum soziale Probleme nur überdeckt, anstatt sie zu bearbeiten. Getreu dem Motto: „Aus den Augen aus dem Sinn“
Aber auch in diesem Punkt stellt das Polizeigesetz nur einen Ausbau der ohnehin bestehenden Praxis dar. Gefahrengebiete gibt es schon seit einer Weile und werden in letzter zeit immer häufiger als Maßnahmen eingesetzt. Gerade die Razzien am „Scheune“ -vorplatz oder Wiener Platz haben eindrücklich gezeigt, wie das Vorgehen an vermeintlich gefährlichen Orten aussehen kann und wird. Die massiven Kontrollen haben dabei bis auf die Verdrängung von Personengruppen von bestimmten Orten keinerlei Effekt, von Erfolg ganz zu schweigen. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Kontrollen einer rassistischen und sozialdarwinistischen Logik folgten. So waren die Maßnahmen fast ausschließlich gegen Geflüchtete, Obdachlose und Drogennutzer*innen gerichtet. Wer nicht ins normative Bild der neoliberalen Leistungsgesellschaft passt, macht sich verdächtig. Wer sich abends an einem gefährlichen Ort aufhält, eine andere Hautfarbe hat oder schon Nachmittags ein Bier trinkt, muss zwangsläufig kriminell sein. Strukturelle, gesellschaftliche und individuelle Ursachen werden nicht gesehen oder ignoriert und ganz sicher nicht bearbeitet. Die Maßnahmen stellen allein eine sicherheitspolitische Befriedung der Stadtgesellschaft dar. Dies bedeutet eine repressive Antwort auf Soziale Probleme, welche nicht gelöst, sondern verschärft werden. Dem Bedürfnis nach einem autoritären starken Staat wird nachgegeben anstatt soziale Lösungen zu formulieren, welche über das Bestehende hinausgehen.

Deshalb:
Basisdemokratische Sozialpolitik, welche sich an den Problemen der Menschen orientiert, statt struktureller Verdrängung, Ausgrenzung und Repressionen!

Dies sind nur 3 Punkte, die in unsere Arbeit eingreifen. Aufgrund der Zeit werden wir nicht auf weitere eingehen können. Nur als Stichworte seien hier noch die Aufrüstung des Ordnungsamts, die Fehlende Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamt*innen und eine unabhängige Kontrollinstanz über polizeiliches Handeln erwähnt.

Als letztes möchten wir noch kurz auf die Verwicklungen unserer Profession eingehen. Als studierende der Sozialarbeit sind wir ständig im Zwiespalt zwischen staatlichen Institutionen und Adressat*Innen. Letztere erwarten von uns Offenheit, Vertrauen und Schutz. Diesen Bedürfnissen wollen wir nachkommen. Staatlicherseits wird an uns die Erwartung gestellt, der verlängerter Arm der Exekutive zu sein. Dies bedeutet in den meisten Fällen, repressiv zu Handeln und soziale Kontrolle auszuüben. Wir wollen nicht die süß klebrige Seite einer Politik von Zuckerbrot und Peitsche sein.
Wir sagen ganz klar: dies entspricht nicht unserer Auffassung von sozialer Arbeit. An erster Stelle handeln wir im Auftrag unserer Adressat*innen. Deren Rechte durchzusetzen, ihre Stimmen hörbar zu machen und uns mit ihren Interessen zu solidarisieren ist unsere Aufgabe.

Deswegen fordern wir:
Anpassung der sozialen Verhältnisse an die Bedürfnisse der Menschen anstelle der Anpassung der Menschen an die neoliberalen Zwänge unserer Gesellschaft.


Rede des Kurdischen Verein in Dresden

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe GenossInnen

Das neue Polizeigesetz zielt nicht auf irgendwelche Terroristen oder Kriminelle ab, sondern ist ein Frontalangriff auf jene kritischen Stimmen, auf Ausgegrenzte, Unterdrückte, Benachteiligte. Und dazu gehören KurdInnen, mit dem kurdischen Freiheitskampf solidarische AktivistInnen – eben nicht nur in Kurdistan bzw. den jeweiligen Besatzerstaaten wie die Türkei, wo die KurdInnen und ihre Freiheitsbewegung täglich Angriffen, Krieg und Verfolgung ausgesetzt sind. De facto werden die Inhalte dieses Polizeigesetzes seit Jahren gegen die KurdInnen und ihre Organisationen bereits angewendet. Das hat natürlich nicht nur lokale oder organisatorische Gründe. Die Kriminalisierung und Repressionen durch politisch motivierte Polizei und die Staatsgewalt hierzulande ist im Einklang mit der Kriegsunterstützung der Bundesregierung mit einem der größten Waffenabnehmer der deutschen Waffenindustrie, der Türkei.
Milliarden Euro verdient die deutsche Waffenindustrie an völkerrechtswidrigen Kriegen, wie zuletzt in Afrin. Spätestens seit dem 1. Weltkrieg haben es Gegner des türkischen Staates zusätzlich auch mit dem deutschen Staat zu tun, einer Macht, die kontinuierlich und systematisch bei ihrer Verfolgung mithilft oder sogar wie seit Jahrzehnten diese selber übernimmt! Was hat das Ganze mit dem neuen Polizeigesetz zu tun?
In diesem Zusammenhang sind KurdInnen und solidarische Menschen ein
Dorn im Auge des deutschen Staates, weil sie diese Kriegsunterstützung und Beteiligung der BRD kritisch und lautstark benennen und sich dagegen hierzulande organisieren. Dieser Protest wird in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten massiv durch polizeiliche und staatliche Kriminalisierung und Repression angegriffen.
Es werden angemeldete Demonstrationen willkürlich von der Polizei, und vor allem auf Initiative der Sächsischen-Polizei bereits abseits vom Versammlungs- und Vereinsrecht eingeschränkt, mit eigenen
Anordnungen und Auflagen verboten oder unmöglich gemacht. In
München wurde abweichend von verschiedenen Gerichtsbeschlüssen dasZeigen von YPG/YPJ Symbolen verboten, also die Symbole jener Kräfte, die seit Jahren für unser aller Demokratie- & Freiheitsverständnis gegen den sogenannten IS den erfolgreichen Kampf geführt haben und die vor kurzem mit deutschen Waffen völkerrechtswidrig in Afrin angegriffen wurden. Menschen, die auf genannten Demonstrationen sind, werden von der Polizei detailliert mit tausenden Seiten und Bild- & Videomaterial erfasst. Dazu gehört auch, dass die Betätigung in kurdischen Vereinen per se unter Generalverdacht gestellt und bei möglichen Behördengängen
juristisch als Hindernis im sozialen und beruflichen Leben von der Polizei als Druckmittel zur Einschüchtern eingesetzt wird. Im Zusammenhang der Kriminalisierung der KurdInnen, die im Verbot der PKK als ein Geschenk an den türkischen Staat mündete, droht das neue Polizeigesetz zu einer weiteren Verschärfung der Verfolgung zu werden. Dagegen wollen und werden wir uns wehren! Das Abhören von Telefonaten, Bespitzelungen oder die Inhaftierung auf unbegründeten Verdacht von legalen Tätigkeiten ist für KurdInnen schon längst Tatsache.
Die Polizei zeigt ebenfalls ihr wahres Gesicht, wenn sie das Teilen von Bildern mit YPG-Symbolen – die im Übrigen nicht verboten sind – in sozialen Medien, als terroristische Betätigung diffamiert und kriminalisiert. Hausdurchsuchen sind nur die Spitze des Eisbergs und ein Ausdruck der dahinter steckenden Willkür: Im letzten sog. Sicherheitsbericht der Münchener Polizei wird ein Genosse von uns für über 74% des Anstiegs der sog. „Ausländerkriminalität“ verantwortlich gemacht, gemeint ist eben das Teilen von den genannten Bildern auf Facebook. Hierzu gab es noch kein Gerichtsurteil, aber das scheint der Polizei, die eindeutig eine politische Rolle übernommen hat, nur die Grundlage dafür zu sein, den Generalverdacht uns gegenüber legitimieren zu können. Sie trifft sich lieber mit führenden Köpfen der Grauen Wölfe, einer faschistischen Partei aus der Türkei, und mit AKP-Lobbyisten, wie zuletzt, um die „Sicherheitslage“ zu besprechen. Eben genau mit jenen Kreisen die uns auch hier – wortwörtlich – jagen. Das ist mehr als skandalös und zeigt welches Ausmaß die Beteiligung der Polizei bereits jetzt schon in der Politik hat. Das macht deutlich, wer vom neuen Polizeigesetz betroffen sein wird und wer nicht.

Halim Dener, ein kurdischer Jugendlicher, wurde 1994 beim Plakatieren in Hannover von der Polizei erschossen. Der Polizist, der ihn ermordete, wurde anstatt bestraft zu werden befördert.

Der Satz „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur
Pflicht“ kann nicht oft genug wiederholt werden.

Die Angriffe auf unsere Grundrechte und Freiheit dürfen nicht
stillschweigend hingenommen werden!

Vergesst nicht, dass unsere heutigen Grundrechte von Generationen vor uns erkämpft worden sind.

Wir müssen uns unserer historischen Pflicht bewusst sein, diesen bunten Protest auch nach dieser Demonstrationen fortzusetzen.

In diesem Sinne: lasst uns dieses Polizeigesetz verhindern!

Hoch lebe der Widerstand in Sachsen
Biji Berxwedana Sachsen


Anarchosyndikalistische Jugend Leipzig

Nicht das Polizeigesetz, sondern die Polizei an sich ist das Problem!

Für uns ist das Polizeigesetz, die Militarisierung der Polizei und der institutionelle Rassismus kein Zufall, kein Ausfall des Rechtsstaats, sondern seine Konsequenz. weil wir nicht darauf Vertrauen, dass die Gesetze und Institutionen der Regierung, den Auftrag eines freien und schönen Lebens für alle Menschen verfolgen, sondern ihr direktes Gegenteil.
Es geht uns nicht um eine liberale Polizeigesetzgebung, es geht und um ein Leben ohne Zwang und Herrschaft, ohne Staat und Polizei.
Eine Welt ohne Polizei? Wie ist das möglich?
Eine der anarchistischen Grundüberlegung ist der Gedanke, dass Menschen ihren Alltag selbst organisieren können, ohne dabei auf gesellschaftliche Einrichtungen zurückgreifen zu müssen, die auf Zwang und Gewalt basieren.

Wenn das Zusammenleben der Menschen nicht auf Konkurrenz und Ausgrenzung beruht, Menschen keine Angst haben müssen aus finanziellen Gründen zu Hungern, oder ihr Obdach zu verlieren und Unterdrückungen in der Gesellschaft keinen Platz mehr haben, ist ein freies und solidarisches Leben für und mit allen möglich.
Dabei wird es eine Gesellschaft ganz ohne Grenzüberschreitungen nicht geben. Doch wir sehen Menschen in der Lage dazu, selbst am Besten definieren zu können, was Grenzüberschreitungen sind und was nicht. Dazu bedarf es einer Auseinandersetzung mit Grenzüberschreitungen, die sich nach den individuellen Bedürfnissen der betroffenen Personen richtet. Genau das ist aber bei Verurteilungen nach Gesetzesbüchern nicht der Fall. Und das hat auch seinen Grund. Denn der Staat beansprucht die Meinungshoheit natürlich für sich. Er entscheidet was geht und was nicht.
Deswegen möchten wir an dieser Stelle auch noch einmal klar zwischen Grenzüberschreitungen und Straftaten unterscheiden.
Straftaten sind Handlungen, die sich nicht an die Gesetze halten. Die Regeln, die sich ein wie auch immer gearteter Staat ausgedacht hat. Die Beweggründe für diese Handlungen müssen aber weder unmenschlich noch grenzüberschreitend sein.
Gleichzeitig sind viele Handlungen aus niederen Beweggründen nicht strafbar (wie z.B. der Bau und Verkauf von Waffen, Abschiebungen, oder die systematische Zerstörung unserer Umwelt ), oder werden nicht verfolgt, wie Beispielsweise Polizeigewalt.
Grenzüberschreitungen sind Handlungen, die von einem staatlichen Regelwerk nicht erfasst werden können. Sie finden in zwischenmenschlichen Begegnungen statt, sind subjektiv und setzen ein Missachten der Grenzen Anderer voraus.
Genau solche Grenzüberschreitungen werden von der breiten Bevölkerung allerdings kaum beachtet. Menschen ziehen sich aus der Verantwortung, weil sie sich darauf ausruhen, dass es eine Polizei und ein Gericht gibt. Somit entfällt auch der gesellschaftliche Druck auf Täter*innen .

Dass es also keine Straftaten in einer solidarischen Gesellschaft geben wird liegt auf der Hand. Es gibt nämlich keinen Staat mehr, der definiert was eine Straftat ist und was nicht.
Und ein Großteil aller Straftaten geschieht aus wirtschaftlichen Motiven heraus. Viele weitere Straftaten geschehen, weil Regierungen bestimmte Verhaltensweisen ausgrenzen wollen, z.B. den Konsum geächteter Drogen, oder das Verunglimpfen des Staates.
Zu der Sicherheit, die die Polizei verspricht gehört allerdings, überwacht und kontrolliert zu werden.
Wirkliche Sicherheit aber bedeutet, zu wissen, dass andere Menschen für einen da sind, wenn man Hilfe benötigt. Das andere Menschen bei Diskriminierungen nicht wegschauen, weil sie gerade pünktlich zur Arbeit müssen.
Sicherheit ist zu wissen, dass genug Essen da ist, nicht frieren zu müssen, nicht alleine zu sein . Und falls man einmal in einer prekären Situation sein sollte, ist es Sicherheit zu wissen, dass man dafür nicht noch weiter bestraft und gedemütigt wird.
Wenn wir nicht länger regiert werden wollen, müssen wir uns selbst organisieren, für einander einstehen; müssen wir Räume und Strukturen schaffen, in denen wir uns reflektieren und kritisieren können – damit sich unser freies und schönes Leben entfalten kann.
Dann müssen wir bereit sein diese Lebenswelten vor dem Eingriff durch den Staat und seine Behörden zu verteidigen. Jede Abschiebung, jede Räumung, jeder Übergriff ist ein Angriff auf uns alle. Ob wir in einer Welt ohne Polizei leben können, hängt davon ab, ob wir uns zutrauen ohne sie zu Leben, ohne Bevormundung und Kontrolle; ob wir bereit sind auf das experimentelle Spiel des Anarchismus einzugehen, in dem es keine Hierarchien gibt, nur Individuen, die in gegenseitiger Anerkennung zusammen leben.


Gegen den Europäischen Polizeikongress
– Grenzenlos, Selbstbestimmt, Solidarisch

Schon seit einigen Jahren setzt die polizeiliche Strategie auf die präventive Abwehr möglicher sogenannter Gefahren statt auf Strafverfolgung. Dies bietet den Repressionsbehörden zahlreiche Möglichkeiten zur Konstruktion unterschiedlichster Vorwürfe, auf deren Grundlage so gut wie jedes polizeiliche Handeln rechtlich legitimiert werden kann. Unliebsame Personen werden so kontrolliert und diskreditiert. Wenn früher Menschen aufgrund ihrer politischen Aktionen und Handlungen kriminalisiert wurden, reicht heute ihre politische Überzeugung und das Leben in einem bestimmten Umfeld, um in das Fadenkreuz von Polizei und Behörden zu gelangen. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, werden in mehreren Bundesländern neue Polizeigesetze auf den Weg gebracht, die Überwachungskompetenzen ausbauen, Präventivhaft erlauben und den Einsatz von Kriegswaffen gegen Demonstrant*innen legitimieren. Dabei wird eine stetige und steigende Gefahr heraufbeschworen, die nicht nur vom islamistischen Terror ausgeht, sondern von sogenannten Linksextremist*innen, welchen die willkürliche Zerstörung sozialer Strukturen unterstellt wird. Gefährlich erscheint jede Gruppierung und Einzelperson, die sich gegen die herrschenden Verhältnisse auflehnt.

Vom 19. bis 20. Februar findet der 22. Europäische Polizeikongress in Berlin statt — eine Diskussionsplattform für Vertreter*innen der Polizei und Sicherheitsbehörden sowie eine Industrieausstellung für die neuesten Waffen und Überwachungstechnologien. Dieser Kongress bietet Jahr für Jahr eine Möglichkeit, um die Überwachung und Verfolgung unliebsamer politischer Gegner*innen effektiver zu machen und europaweit zu standardisieren. Thema des diesjährigen Kongresses ist: »Sicherheit-Migration-Integration«. Der Schutz der europäischen Außengrenzen soll intensiviert werden, jede Fluchtunterstützung wird zu einer Straftat und unangepasste Menschen sollen mit dem Knüppel konform gemacht werden. Ein weiteres großes Thema des diesjährigen Programms ist der Einsatz smarter Kriminalitätsbekämpfung, inklusive intelligenter Videoüberwachung und künstlicher Intelligenzen. Die
Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist essentiell, wenn wir weiterhin widerständig und rebellisch bleiben wollen. Gegen die neuen Polizeigesetze sowie gegen die massenhafte Überwachung gibt es bereits großen Widerstand.
Diesen müssen wir weiter tragen und intensivieren, wenn eine Zukunft von intelligenten Polizeirobotern und eine Welt á la Minority Report verhindert werden soll.

Nutzen wir den Polizeikongress im Februar als Anlass, um gemeinsam gegen die Polizei, die Sicherheitsbehörden und ihre Gesetze auf die Straße zu gehen.Gegen staatliche Gewalt und Repression. Gegen eine Welt, in der es in Ordnung ist, tausende Menschen an den Grenzen Europas ertrinken zu lassen, eine Welt in der Menschen aufgrund ihrer Bestrebungen nach Befreiung verfolgt, eingesperrt und getötet werden, eine Welt die jegliche Formen eines solidarischen und kollektiven Lebens zerstören will.

Freiheit stirbt mit Sicherheit!

Grenzenlos, selbstbestimmt, solidarisch gegen die autoritäre Formierung und den wachsenden Polizeistaat!